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Italienische Rebsorten

Italienische Rebsorten

Was die Vielfalt der Rebsorten anbelangt, ist Italien eines der reichsten Länder der Welt. In seinen Weinbergen wachsen rund 350 bekannte Varietäten. Einige sind weltberühmt: Nebbiolo und Sangiovese etwa. Aus ihnen werden die großen piemontesischen und toskanischen Rotweine hergestellt. Andere haben nur regionale oder lokale Bedeutung. Weitere 330 namentlich bekannte Rebsorten existieren nur noch als genetisches Material in Genbanken. Und schließlich gibt es schätzungsweise 1200 Sorten, die noch gar nicht katalogisiert sind, weil von ihnen nur noch einzelne Stöcke existieren. Italien besitzt also einen großen Rebenschatz. Ihn zu erforschen, wird die Herausforderung der nächsten Jahrzehnte sein.

Von den 350 Varietäten, die zwischen dem Aostatal und Sizilien angebaut werden, sind etwa 330 einheimische, also autochthone Rebsorten. Nur wenige dieser Sorten sind so weit verbreitet und so weltberühmt wie Sangiovese und Nebbiolo, aus denen Weine wie der Chianti Classico, der Vino Nobile di Montepulciano und der Brunello di Montalcino bzw. Barolo und Barbaresco gewonnen werden. Die Bedeutung der meisten Autochthonen liegt in einem eng umrissenen lokalen Bereich: der Corvina (Wein: Amarone aus Verona), der Sagrantino (Wein: Montefalco Sagrantino aus Umbrien) oder der roten Aglianico (Wein: Taurasi aus Kampanien und Aglianico del Vulture aus der Basilikata). Wieder andere sind nur Einheimischen oder Fachleuten geläufig, weil aus ihnen einfache Weine gewonnen werden, die keine supranationale Bedeutung haben. Dazu gehört etwa der hellrote Groppello vom Gardasee, der weiße Timorasso aus dem piemontesischen Tortona oder der schwarzrote, tanninreiche Tintilia, dessen gleichnamige Rebsorte zwar ursprünglich aus Spanien stammt, die aber seit langem in der kleinen mittelitalienischen Region Molise eine neue Heimat gefunden hat. Diese Weine sind keine Hochgewächse im Weltmassstab, schmecken aber sehr delikat und sind ebenso unverwechselbar wie in ihrem Charakter einzigartig. - Gerardo [TS07/22]

A
Alte Rebsorten Aglianico
Arneis

B
Barbera
Biancolella Blauburgunder
Bombino Bovale

C
Cabernet-Franc
Cabernet-Sauvignon Cagnulari
Cannonau Carricante
Chardonnay Corvina
Corvinone Cornalin

D
Dolcetto
Durello

E
Edelvernatsch

F
Falanghina
Favorita Fiano Minutolo
Fiano di Avellino Forastera
Frappato Freisa
Friulano Fumin

G
Gaglioppo
Gamay Garganega
Gewürztraminer Goldmuskateller
Grauvernatsch Grechetto
Greco Greco di Tufo
Grillo Groppello
Grüner Veltliner

I
Insolia

K
Kerner

L
Lagrein
Lambrusco

M
Malvasia Bianco
Malvasia Nera Manzoni
Marzemino Merlot
Molinara Monica
Montepulciano Müller-Thurgau

N
Nebbiolo
Negroamaro Nero d'Avola
Nero di Troia Nerello Mascalese

O
Ottavianello

P
Passerina
Pecorino Petit Arvine
Petit Verdot Petit Rouge
Pinot-Grigio Primitivo (Alle)
Primitivo di Manduria Primitivo Gioia del Colle

R
Refosco
Ribolla Gialla Riesling
Rondinella Rosenmuskateller

S
Sagrantino
Sangiovese Sauvignon Blanc
Sylvaner Susumaniello
Syrah

T
Teroldego
Trebbiano

V
Verdicchio
Vermentino Vernaccia Nera
Vernatsch (Alle)

W
Weißburgunder

Italienische Rebsorten

Italienische Rebsorten

Knapp die Hälfte der 350 bekannten Varietäten besitzt derzeit keine kommerzielle Bedeutung mehr. Als Folge der fortschreitenden Verbreitung internationaler Sorten wie Chardonnay, Sauvignon, Merlot, Syrah und Cabernet Sauvignon – auch in Italien sind sie nur noch in kleinen Mengen vorhanden. Viele kämpfen ums Überleben. Deshalb machen sich Rebenforscher, Politiker und Weingutsbesitzer Gedanken um das 'ampelografische Erbe' ihres Landes, so Giuseppe Martelli, Präsident der Vereinigung italienischer Önologen und Kellertechniker (Assoenologi). Den Rebschatz zu erhalten und zu erforschen, besitzt hohe Priorität im zweitgrößten Weinproduktionsland der Welt. Mehrere staatliche und private Projekte sind initiiert worden, um die alten, autochtonen Reben zu erhalten und auf ihr qualitatives Potenzial hin zu untersuchen. Ziel: Die hochwertigen Sorten zu selektieren, um verstärkt Weine mit Bezug zu ihrer Herkunft, zur Geschichte, zur Kultur zu fördern und sich so von unzähligen anonymen Weinen unterscheiden zu können, die heute vor allem aus den osteuropäischen und überseeischen Ländern kommen. 'Die Konsumenten erwarten, daß der Wein eine territoriale Identität besitzt', formuliert Martelli programmatisch. Sind es doch Rotweine aus Sorten wie Aglianico und Nero d’Avola aus Süditalien, wie der Sagrantino aus Umbrien oder wie der Südtiroler Lagrein, die in der Weinwelt heute schon unverwechselbare Akzente setzen. Und auch bei den Weißen hat Italien hochklassige, unimitierbare Weine im Sortiment wie Greco, Fiano und Falanghina aus Kampanien oder wie Friulano (Tocai) und Ribolla aus dem Friaul. Martelli: 'Wir merken schon heute, daß die internationalen Märkte Italiens Bemühungen honorieren, hochwertige Weine aus eigenen, autochthonen Rebsorten zu erzeugen.'

Die Bezeichnung autochthon kommt aus dem Griechischen und enthält das Wort 'chton' = Erde. Autochthon bedeutet also 'bodenständig', 'an Ort und Stelle entstanden'. Autochthone Reben sind also einheimische Sorten, die seit langer Zeit in einem bestimmten Anbaugebiet einer bestimmten Region kultiviert werden. Sie haben sich an den Boden und an die klimatischen Bedingungen angepaßt. Sie haben bewiesen, daß sie in dem betreffenden Bereich besonders gute Weinqualitäten ergeben. Mehr noch: Häufig hat der Wein, der aus ihnen gewonnen wird, dem Gebiet ein Gesicht gegeben. Er hat seine Landschaftsgestalt geformt (Valtellina, Südtirol, Toskana), hat seine Kultur geprägt (Handwerk, Naturkenntnis, Bräuche), die Kunst beeinflußt (wie etwa das bacchantische Element in zahlreichen Renaissance-Fresken und –Gemälden zeigt). Besonders augenfällig sind die Verbindungen zwischen lokalem Wein und lokaler Küche (Barolo/Trüffel; Lambrusco/Mortadella; Vin Santo/Cantuccini; Lacryma Christi/Pizza). Ohne den Wein und seine Verwurzelung an einem bestimmten Ort wären viele lokale Gerichte und Spezialitäten vermutlich bis heute unentdeckt geblieben. Das heißt: Erst wenn ein Landstrich mit einer Rebsorte bzw. einem Wein identifiziert wird, kann man von territorialer Identität sprechen. 'Wer eine Flasche Chianti öffnet, denkt an die Toskana', heißt es zum Beispiel in dem Büchlein 'Vini Buoni d’Italia', laut Untertitel 'der erste Führer der autochthonen italienischen Rebsorten'. Ähnlich könnte man formulieren: Wer einen Barolo vor sich hat, fühlt sich ins Piemont bzw. in die Langhe versetzt. Wer Verdicchio sagt, meint die Marken. Wer Nero d’Avola trinkt, weiß sich in Sizilien. Wer an Primitivo denkt, denkt an Apulien.

Viele italienische Rebsorten sind seit 200 Jahren und länger in bestimmten Gegenden im Anbau. Reicht das aus, um von Bodenständigkeit zu sprechen? Oder muss eine Rebe 1000, gar 2000 Jahre lang nachgewiesen sein, um als autochthon zu gelten? Die Frage kann weder wissenschaftlich beantwortet noch das Problem per Gesetzesdekret gelöst werden. Entscheidend ist, daß die Sorte seit langer Zeit – in Expertenrunden ist oft von 200 Jahren die Rede an Ort und Stelle vorhanden ist und sich gegen alle Versuchungen, marktgängigere oder modischere Sorte zu pflanzen, behauptet hat.

Autochthon bedeutet nicht, daß auch der Ursprung der Reben in dem Anbaugebiet selbst liegen muss, für das sie heute repräsentativ sind. Oft sind sie über Umwege dorthin gelangt. Außerdem wissen wir, daß fast alle Varietäten, die in Italien angebaut werden, aus Griechenland stammen. Griechische und phönizische Kaufleute hatten sie, als sie zwischen 700 bis 300 Jahre v. Chr. den Mittelmeerraum besiedelten, aus ihrer Heimat mitgebracht und in ihren neuen Kolonien in Sizilien und in Süditalien ausgepflanzt. In 'Magna Graecia', wie die Kolonien damals hießen, haben diese Reben ein neues Habitat gefunden und sind, sofern sie den natürlichen Ausleseprozeß bis in die Gegenwart überstanden haben, zu eigenständigen Sorten mutiert. - Gerardo [TS07/22]